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Ein Gespräch mit dem Vereinspräsidenten Othmar F. Arnold zur Mittelbeschaffung in außergewöhnlichen Zeiten.

Wir stecken mitten in einer der bedeutendsten Krisen der Neuzeit. Viele Läden und Betriebe sind geschlossen, das soziale Leben ist radikal eingeschränkt, es drohen Massenarbeitslosigkeit, Finanzkrise und neue Armut. Wie steht es mit dem Projekt “Alte Sennerei” – pflegegerechter Wohnraum für den letzten Lebensabschnitt in diesen aussergewöhnlichen Zeiten?

Der Verein Tenna Hospiz plant seit mehr als drei Jahren die Realisierung von pflegegerechtem Wohnraum für den letzten Lebensabschnitt im Safiental. Je konkreter der ursprüngliche Traum formuliert wurde, desto einfacher war die Mittelbeschaffung. Je stärker sich die Betroffenen und die Mitmenschen im Randgebiet sich mit dem Anliegen verbunden fühlten, desto grösser wurde die Spendenbereitschaft.

Aufgrund der weit fortgeschrittenen Projektfinanzierung und der grossen Anteilnahme der lokalen Bevölkerung hatte Verein Tenna Hospiz am 1. September 2019 den Spatenstich gewagt. Dies hatte eine positiv motivierende Wirkung auf den Spendenfluss. Es wurden auch beachtliche Stiftungsbeiträge gesprochen.

Das Projekt “Alte Sennerei” wird 3,78 Mio CHF kosten. Das entspricht einem Drittel des jährlichen Gemeindebudgets! Etwa 80% der Spenden sind von Menschen in der Zielgruppe und solchen, die einen starken Bezug zum Safiental haben (auch Abwanderer und Gäste) geflossen. Stiftungsbeiträge machen bisher ca. 20% der Investitionssumme aus. Meine Erfahrung zeigt, dass der Anteil Stiftungen, die ihre philanthropische Tätigkeit auf die wirtschaftlich starken Zentren fokussieren (zB Christoph Merian in Basel) unverhältnismässig grösser ist, als Stiftungen, die im und für die Randgebiete Projekte finanzieren.

Witterungbedingt mussten die Bauarbeiten dann im November eingestellt werden. In dieser Winterpause veränderte sich dann das pandemische, wirtschaftliche und politische Umfeld!

Was heisst das für die Vereinsarbeit und die fortlaufende Mittelbeschaffung?

Die Bearbeitung von pendelten Gesuchen wurde plötzlich erschwert oder auf unbestimmte Zeit verschoben. Stiftungsrät*innen sind genau so von den Anweisungen des Bundesrates betroffen und viele der Frühjahrstermine zur Beschlussfassung entfielen. Das ist insofern herausfordernd, weil dies für den Verein Tenna Hospiz in den letzten Jahren ein bedeutendes Zeitfenster für die Mittelbeschaffung war.

Die Baustelle musste trotz der Winterpause weiter betreut werden, vor allem wegen dem frühen Frühjahrswetter in den Bergen.

Zu Beginn der Sars-CoV-2 Pandemie hatte der Verein Tenna Hospiz etwa bereits 90% der Mittel durch Fremd- und Eigenfinanzierung gesichert. Es verbleibt bis zur Bauvollendung Ende 2020 eine Restfinanzierung von CHF 400’000.

Die zweite Schwarmfinanzierung und die Privatspenden sind mit dem Ausbruch der Verunsicherung durch die Pandemie komplett eingebrochen. So kurz vor dem Ziel…

Was nun?

Der Verein Tenna Hospiz zeigte sich mutig und räumte Ende März die Baustelle vom Schnee. Die grosszügige Baugrube und die isolierte Lage liessen dies zu, trotz zunehmend einschränkenden Massnahmen und Verunsicherung. Die klimatischen Bedingungen entwickelten sich optimal, und die Baufirma war bereit, anfangs April die Baustelle unter ganz neuen Voraussetzungen wieder in Betrieb zu nehmen. Für die Beschäftigung in der Region und Wertschöpfung in Krisenzeiten erwies sich dies als richtigen Entscheid.

Andererseits haben gleichzeitig sämtliche Hilfswerke ihre Mittelbeschaffungsmassnahmen hochgefahren um die Gunst der Stunde zu nutzen und Spenden zu generieren. Die Glückskette zB lancierte die längste Sammelaktion ihrer Geschichte. Dieser Wucht haben wir nichts entgegen zu stellen. Der Verein Tenna Hospiz hat sich entschieden, in sogenannten Krisenzeiten nicht mit der “Nothilfe” Bewegung zu konkurrieren. Der Kontakt und Austausch mit den Stiftungen, bei denen ein Gesuch eingereicht und pendent ist, wird so gut wie möglich gepflegt. Wir sind darauf angewiesen, dass die Stiftungen ihre Bedürfnisse kommunizieren. Eine Stiftung verlangte eine Bestätigung, dass das Beitragsgesuch auch unter den neuen Voraussetzungen noch relevant ist. Andere kommunizierten von sich aus die Verzögerungen bei den Beschlussfassungsterminen, oder schickten eine Absage. 

Damit scheint es äusserst ungewiss, ob die benötigten Spenden- und Stiftungsgelder bald wieder fliessen werden. Ist das nicht eine allzu gewagte Vorgehensweise in einer globalen Krisenzeit?

Ich glaube nicht. Der Verein Tenna Hospiz hofft nun, dass dieser Spagat zwischen mutigem, solidarischem Voranschreiten bei der Projektverwirklichung und mutigem, solidarischem Handeln in philanthropischen Stiftungen gelingt. Ansonsten werden wir am Schluss eine Bauruine haben, die zwar spendenfinanziert ist, aber niemandem etwas nützt. 

Aber, der Verein erwartet zuversichtlich eine entspanntere Situation und eine erfolgreiche Restfinanzierung vor Betriebsbeginn. So werden wir einen Beitrag dazu geleistet haben, die Krisenspirale nicht weiter voran zu treiben im Glauben an eine lebenswerte Zukunft für alle – und bis zum letzten Atemzug.

Besten Dank für diese Einschätzung.