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Erinnerungen an Damals (photo credit: Anne Casutt/Verein Tenna Hospiz)

In den letzten Novembertagen 2019 wurden verschiedene Studien publiziert, die auf den statistisch und umfragemässig erfassten Verhältnissen alternder Menschen und ihren ökonomischen Perspektiven im Lichte der zunehmenden Bedürfnisse an Betreuung und Pflege basieren.

Das frei verfügbare Einkommen älterer Menschen in der Schweiz” wurde von einem Stiftungskonsortium in Auftrag gegeben und publiziert. Die Studie zeigt auf, wie sich “die steigenden Kosten für Betreuung und Pflege im Portemonnaie der Rentnerinnen und Rentner” niederschlägt. Je nach Wohnort zeigen sich “frappierende Unterschiede beim frei verfügbaren Einkommen”. Die Stiftungen engagieren sich kollektiv für eine gesellschaftliche Diskussion über die Weiterentwicklung der Sozialversicherungen. Genau so wie medizinische und pflegerische Leistungen über die Krankenkasse abgerechnet werden können, möchten sie, dass die Betreuungskosten in Zukunft versichert werden können. Ob das eine Beteiligung an den unbezahlten Leistungen von pflegenden und betreuenden An- und Zugehörigen mit beinhaltet, wird nicht klar formuliert. Die Studie fordert auch eine Vereinheitlichung und eine Vereinfachung der sozialen Sicherheit im föderalistischen System.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) legt neun Studien vor zum Thema betreuende Angehörige. Diese sind es, die einen Grossteil der Betreuungsarbeit von alternden Menschen leisten – und meist ohne Entgelt. Diese Studien stellen als Fazit fest, dass die Finanzierung der Betreuung im Alter in der Schweiz bisher nicht gesichert ist. Auch ist eine Koordination der Versorgung in einem föderalen und marktwirtschaftlichen System wichtig. Zudem anerkennt der Bund, dass sich die Kantone einheitlichere gesetzliche Grundlagen und zusätzliche finanzielle Mittel wünschen. Deshalb gibt es einen Aktionsplan für betreuende und pflegende Angehörige.

Eine weitere Studie legt Alzheimer Schweiz vor. Hier geht es mehr spezifisch um die Demenzkosten, einerseits aus der Sicht der Betroffenen, aber auch aus der Sicht der Gesellschaft. Die Studie kommt zum selben Schluss wie die andern vorgelegten Papiere: Die Kosten sind hoch, sehr unterschiedlich je nach Wohnort, und viele der anfallenden Kosten sind privat zu tragen und übersteigen die wirtschaftliche Kraft der Betroffenen und deren Familien. Die informelle Pflege und Betreuung macht 47% der Gesamtkosten aus. Alzheimer Schweiz folgert, dass Angehörige unterstützt werden müssen. Auf gesellschaftlicher Ebene fordern sie, im Einklang mit dem Stiftungskonsortium, eine Versicherung und nationale Tarifstrukturen für die notwendigen, bisher nicht verrechenbaren Unterstützungsleistungen.

Der Age Report, auch von Stiftungen finanziert die im oben genannten Konsortium beteiligt sind, untersucht in seiner vierten Ausgabe das Wohnen in späten Lebensjahren. Ein Augenmerk ist auf den regionalen Unterschieden. Es wird festgehalten, dass hochaltrige Menschen am liebsten Zuhause sind und ihnen die Nachbarschaft wichtig ist. Die Studie bringt auch zum Ausdruck, dass die Wohnkosten einen grossen Anteil am Renteneinkommen ausmachen. Es wird angedeutet, dass in verschiedenen Regionen dies vermehrt zu einer schwierigen finanziellen Lage führt. Als möglicher Lösungsvorschlag werden gemeinschaftliche Wohnformen in die Untersuchung einbezogen, mit einer klaren Bevorzugung von Generationen übergreifenden Ansätzen. Das Interesse dafür scheint noch zaghaft. In der Synthese wird festgehalten, dass es in der Schweiz regional Unterschiede gibt und dass die hohen Wohnkosten auf das Portemonnaie drücken. Die öffentliche Hand ist da gefordert, wo die sozioökonomischen Sicherheit nicht gewährleistet ist und die Kosten für notwenige Unterstützung die persönlichen und familiären Ressourcen übersteigen.

Was in verschiedenen Analysen festgehalten wird, sind die enormen Kosten der Beherbergung, Betreuung und Pflege für alternde Menschen in der Schweiz. Diese Kosten variieren dann auch noch zwischen den Kantonen und Gemeinden in einem Umfang, der doch irgendwann in Frage gestellt werden müsste. Warum betragen die Betreuungs- und Pflegekosten eines standardisierten Falltyps in einem Kanton CHF 2’217 und im Nachbarkanton CHF 24’787? Für die Betroffenen ist es ein kleiner Trost zu wissen, dass im Nachbarkanton nur 92% dieser Kosten selber getragen werden müssen. 

Auch die Pflegeheimkosten variieren von CHF 38’152 bis CHF 91’582, wobei je nach Standort zwischen 53 und 90% selber getragen werden müssen. Das heisst, eine alleinstehende Person bezahlt pro Jahr zwischen CHF 31’000 und CHF 65’000 aus der eigenen Tasche für die Kosten im Pflegeheim: Monatsmiete mit drei Mahlzeiten und punktueller Betreuung bis zu CHF 5’400 pro Monat aus eigener Tasche, zusätzlich zu den Sozialtransfers?

Hier muss doch endlich die Frage formuliert werden, wie diese Kosten entstehen, und wer davon profitiert. Da werden Renteneinkommen abgeschöpft, angespartes Vermögen pulverisiert und – wenn das nicht reicht – Sozialleistungen der öffentlichen Hand abgesogen.

Der Verein Tenna Hospiz mit seinem Projekt “Alte Sennerei” – pflegegerechter Wohnraum für den letzten Lebensabschnitt – befindet sich auch in diesem Spannungsfeld. Mitglieder des Vereins beteiligen sich am nationalen Dialog um Finanzierungsmechanismen für gute Betreuung im Alter und am Lebensende, wie auch für die Wertschätzung und Entlastung von pflegenden Angehörigen. Das bringt langfristig eine Stabilisierung der Einnahmenseite.

Der Verein hat sich zusätzlich zur Aufgabe gemacht, die Ausgabenseite, also die Kosten des Angebotes genau zu untersuchen. Es ist eine Aufgabe aller Anbieter – öffentlich-rechtlich, privat oder zivilgesellschaftlich – im Sinne eines konstruktiven Beitrags zur Reduzierung der sogenannten Gesundheitskosten, ihre Kostenstrukturen zu überprüfen und kritisch in Frage zu stellen. 

Das Modell “Alte Sennerei” zeigt, dass es möglich sein wird, ohne zusätzliche Beiträge und Zuschüsse der öffentlichen Hand, ein bezahlbares Angebot von guter Betreuung und Beherbergung mit kompetenter Pflege am Lebensende zur Unterstützung Betroffener und pflegender Angehöriger anzubieten.

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