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An einem Wochenende im März erinnerten sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft Alte Sennerei an die diamantene Hochzeit von Ursula und Abraham. Ein währschaftes Mittagessen, ein Glas Wein dazu, keine Umstände. „Heds denn auch gschneit wo ner ghürotet hend?“ fragte Gian aufmerksam. Ursula runzelt die Stirne und meinte mit einem Blick zu Abraham: „da isch scho lang her – aber ich glaube nit!“ Abraham nickt.

Vom Neuhof und von Neukirch – ein Leben zwischen den Bergen

Noch heute spürt man in den Erzählungen von Ursula und Abraham die Aufbruchstimmung der jüngeren Jahre. Hätten sie damals nicht zwischen den Bergen des Safientals gelebt und eine Existenz in der Berglandwirtschaft weitergeführt, wären sie eigentlich rechtzeitig gewesen um 68er zu werden.

Vom Güner Hora zum Kilimanjaro 

Ursula ist ein Bewegungsmensch. Als Mädchen musste sie die Rahmkanne auf dem Rücken von der Zentrifuge in Obergün zur Postautohaltestelle in der Rainmatte tragen. Manchmal eilte es, wenn das “tü-ta-to” von der Safierstrasse her zu hören war, denn der Rahm musste nach Chur zur Verarbeitung! Gute 300 Höhenmeter runter und zurück hoch. Später im Leben ist sie dann freiwillig getreckt. Sie hat mit der Familie den Piz Bernina bestiegen, war aber auch auf anderen Kontinenten unterwegs mit Bergsteigerinnen. Ihr Stolz ist das Erlebnis auf dem Gipfel des Kilimanjaro. Unvergesslich. Vom Güner Hora aus sieht man vieles von Graubünden; vom “Kili” aus sieht man die Welt.

Vor dem Geburtshaus in Neukirch, mit Blick auf Tenna.

Bis z’Hinderscht

Auf einer Wanderung im Bergsommer des innersten Safientals traf ich einen rastenden, gedankenversunkenen Abraham an der geschützten Seite eines sonnengebrannten Walserhäuschens, auf einem grossen Stein sitzend. “Do bin ich als Chuahirt gsässe, und han d’Sägesse dängelet”. Fünfundsiebzig Jahre zurück verbrachte der Junge aus Versam den Sommer hier im Enthälb – lernend und seinen Lebensunterhalt fern von der Familie verdienend.

Seine Erinnerungen schöpfen tief aus der Schatztruhe einer nun verblassten Selbstversorger-Gesellschaft der Walser Siedler im Safiental. Das Loch im Sitzstein zeugt vom Dängeleisen, das man jedes Jahr als wichtigen Bestandteil der Transhumanz zur Heuernte mitbrachte bis „z’hinderscht ins Thall”

Z’Hinderscht (aber noch lange nicht am Ende)

Sein Vater verstarb im Alter von 57 Jahren. Dies beschloss die Lehr- und Wanderjahre für den jungen Mann mit dem biblischen Namen. Die existenzielle Verantwortung für den „Neuhof“ kurz nach dem Abschluss seiner landwirtschaftlichen Ausbildung war seine. Er lernte mit Landmaschinen und Marktwirtschaft umzugehen, und begriff, dass der Nachbar immer den noch grösseren Traktor fahren würde.

Und das erste Kind kommt dazu. Auf dem Neuhof schien nicht das ganze Jahr die Sonne, doch gemeinsam meisterten Ursula und Abraham den Hof zu führen und vier Kinder gross werden zu lassen. Der Sohn übernimmt, die Töchter ziehen in die Welt.

In ihrer Wohnung in der „Alten Sennerei“ in Tenna hängt ein Bild von Ursula und Abraham am Seil auf dem Biancograt – auf 4’000 müM. Es vermittelt eine Grundstimmung, die heute noch spürbar ist. Wenn es einem nicht gut geht, ist das andere voll da, um zu “sichern”. Als Ursula von einem Schlaganfall betroffen war, sass Abraham umsorgend während 24 Stunden auf der gegenüberliegenden Bettkante. Wenn Abraham mal einen Gedanken verliert, ist es Ursula, die ihm zurück in den Gedankengang hilft – dank einer sechzigjährigen Beziehung und all den gemeinsamen Erlebnissen.

Wir wünschen ihnen von Herzen alles Gute für die kommenden gemeinsamen Zeiten!